Besuch bei Actofive in Dresden: Auf die Fräse, fertig, los!
Eines der spannendsten Räder, die wir euch 2020 vorstellen durften, ist sicherlich das Actofive P-Train CNC. Das schicke Bike verfügt nicht nur über einen auffälligen Hinterbau, sondern wird auch vollständig in Dresden aus soliden Alu-Blöcken gefräst. Wer kommt auf so eine Idee und kann sie dann auch noch serienreif umsetzen? Wir haben uns das kleine, aber feine Unternehmen von Gründer und Entwickler Simon Metzner genauer angesehen und viele faszinierende Infos über die Hintergründe eingesammelt.
Vor einigen Wochen hatten wir die exklusive Gelegenheit, eine der interessantesten Neugründungen im deutschen MTB-Markt zu besuchen. Actofive bietet nach mehreren Jahren Entwicklung nun mit dem P-Train CNC ein in Deutschland gefertigtes und stark anpassbares Trailbike mit gefrästem Hauptrahmen und Hinterbau an. Was sich nach Weltraumtechnologie anhört, entsteht tatsächlich in einer urigen Werkhalle in einem direkt an die Dresdner Heide angrenzenden Industrie-Gebiet aus dem letzten Jahrhundert. Viel Spaß mit dem Hausbesuch!
Hier geht’s zum ersten Test des Actofive P-Train CNC!
Von der Skizze zur Bike-Marke
Einfach mal eine eigene Bike-Firma gründen und ein Trailbike aus 40 kg Aluminium-Blöcken fräsen – das klingt komplett verrückt! Wenn man sich allerdings die Gründungsgeschichte von Actofive anhört, dann kann sich wohl fast jeder Mountainbiker zu Teilen damit identifizieren. Für den Gründer, Entwickler und Fertiger Simon Metzner – noch ist die kleine Manufaktur nämlich ein Ein-Mann-Unternehmen – beginnt es erstmal mit der Träumerei von einem eigenen Rad. Was gibt es noch nicht, was funktioniert und welche Prioritäten möchte man setzen? Simon ist allerdings kein Schüler, der seine Ideen verträumt an den Rand seines Hausaufgaben-Hefts kritzelt, sondern Ingenieur und zum damaligen Zeitpunkt Teilhaber eines Unternehmens, das ziemlich große CNC-Fräsen herstellt und vertreibt.
Als leidenschaftlicher Mountainbiker und Ingenieur ist es natürlich immer so, dass man irgendwann anfängt, sich seine eigenen Skizzen zu machen. Ich glaube, das kennt jeder, der irgendwie Techniker oder Ingenieur und Mountainbike-affin ist: Irgendwann macht man sich Gedanken über sein eigenes Rad, welches es so noch nicht gibt!
Simon hat also nicht nur das Know-how, sondern auch die Erfahrung und die technischen und finanziellen Möglichkeiten, um seine Vorstellungen in die Tat umzusetzen. Dennoch startet das Projekt Actofive als reine Feierabend-Aufgabe, um das für ihn selbst perfekte Mountainbike zu entwerfen. Gedanken, das Rad tatsächlich mal in Serie zu bringen und eine Firma zu gründen, gab es damals noch gar nicht. Deshalb musste ihn auch nicht interessieren, was andere Leute wollen – das perfekte Rad für die eigenen Hometrails muss her!
Dresden ist nun nicht gerade reich mit Höhenmetern gesegnet, weshalb MTB-Touren aus einem ständigen Auf und Ab bestehen. Auf den kurzen Bergab-Passagen rumpelt es jedoch durchaus mal ordentlich in der Kiste. Das für ihn ideale System hat Simon nach einigen theoretischen Versuchen und Erkenntnissen im Linkage-Programm am Computer schnell gefunden: Ein Eingelenker mit hohem Drehpunkt soll her! Um die Antriebseinflüsse in den Griff zu bekommen, wird die Kette einfach über eine Umlenkrolle dicht am Drehpunkt vorbeigeführt.
Bei uns in Dresden in der Heide ist es so, dass man ein konditionell sehr forderndes Gelände hat, weil es permanent berghoch, bergrunter geht. Man hat nach jeder kurzen Abfahrt sofort wieder einen Gegenanstieg. Das braucht eine gewisse Spritzigkeit, Antriebsruhe und Antriebseffizienz und trotzdem wollte ich nie auf ein sehr performantes Fahrwerk verzichten. […]
Und da bin ich dann irgendwann drauf gekommen, wie ich das beides vereinen kann. Dadurch, dass ich mich schon immer mit der Materie beschäftige, kam mir dann das High-Pivot-Konzept in den Sinn, das ich ja schon kannte. Ich habe mich dann natürlich tiefer damit beschäftigt, die ersten Linkage-Versuche gemacht und gemerkt, dass das echt Potenzial hat und man damit den Zielkonflikt zwischen Performance und Effizienz auflösen kann. Da habe ich eben angefangen, ein Fahrwerk zu bauen, das wenig Federweg hat, aber trotzdem so gut funktioniert wie die großen Enduros – und antriebsneutral ist. Das brachte mich natürlich zu einer gewissen Kinematik.
Die erste Konstruktion musste sich noch leicht umsetzen lassen und sollte das erdachte Konzept vor allem in der Praxis beweisen. Ein Stahlrahmen mit wenigen gefrästen Alu-Parts war da die logische Konsequenz. Die Fertigung hat ein Rahmenbauer in Leipzig übernommen … und damit ging die eigentliche Arbeit dann los.
Bei dem einen Rad sollte es auch bleiben, aber wie das so ist … irgendwann sagst du dir: „das ist so cool!“ Und das hat so viel Arbeit gemacht und deine Kumpels kriegen langsam Bock drauf, dann machst du eben eine Kleinserie von vier, fünf Stück und guckst mal, was passiert.
Was dann passiert ist, nennt sich nun Actofive. Zusätzlich zu den vier, fünf Rahmen hat Simon nämlich direkt die Marke gegründet und weiter an seinem High-Pivot-Trailbike optimiert. Der Name leitet sich übrigens vom physikalischen Terminus „acceleration to final velocity“ ab – also der Beschleunigung bis zur Endgeschwindigkeit. Parallel passte gut, dass Simon Metzner sein Unternehmen verlassen und sich mit dem Ingenieur-Büro „Metzner-Engineering“ selbstständig gemacht hatte. Das gab ihm die Freiheit und die Fertigungskapazitäten – denn auch seine neue Firma verfügt über eine Portalfräse – um immer mehr Stahlteile durch CNC-gefräste Alu-Parts zu ersetzen.