Добавить новость
123ru.net
Stern
Январь
2024

Nachruf: Zum Tod des Fotografen Kai Wiedenhöfer: Verneigung vor einem Grenzgänger

0
Stern 
Nachruf: Zum Tod des Fotografen Kai Wiedenhöfer: Verneigung vor einem Grenzgänger

Er gehörte zu den besten Dokumentarfotografen seiner Generation: Kai Wiedenhöfers Bilder machen spürbar, wie brutal Zäune, Mauern und Sperranlagen überall auf der Welt in die Freiheit der Menschen eingreifen. Nun ist der gebürtige Schwabe mit nur 57 Jahren überraschend gestorben. 

"Angriffe werden im Stehen gefahren.“ Das war so ein Satz, den Kai Wiedenhöfer unter Kollegen immer mal wieder losließ. Meist folgte darauf sein kehliges Lachen, das der martialischen Ausdrucksweise die Schärfe nahm, ohne zu verwässern, worum es ihm ging: Humanistische Haltung und kompromisslose journalistische Standards. Wenn er von einem Projekt überzeugt war, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann war er ebenso ungeduldig wie ausdauernd. Das hat ihm Anerkennung eingetragen, bei den Betrachtern seiner Bilder ebenso wie bei denen, deren Leben er dokumentierte.

Sein Meisterstück "Wall on Wall“ wäre ohne diese Hartnäckigkeit nie zustande gekommen: als Buch und als Open-Air-Ausstellung riesiger, drei mal sieben Meter großer Abzüge seiner Panorama-Fotografien von Grenzmauern, Zäunen und Sperranlagen weltweit an der East Side Gallery in Berlin. 

Anfang 2008 hatte er die Berliner Mauer-Show zunächst als monothematische Foto-Dokumentation der israelischen Trennmauer im besetzten Westjordanland konzipiert. Damals scheiterte sein Plan am Widerstand der Lokalpolitik nachdem Vorwürfe laut geworden waren, die Bilder seien antisemitisch. Mit derselben Begründung versuchten zwei Jahre später vermummte Aktivisten der "Jewish Defence League“ eine Ausstellung seiner Fotografien des zerstörten Gazastreifens nach dem Krieg 2008/2009 im Pariser Musée d’Art Moderne zu stürmen und zu zerstören. 

Anfeindungen und Angriffe

Wiedenhöfer entkräftete die Unterstellungen stets mühelos. Anders als manche seiner Kritiker verstand er sich nie als Aktivist oder Konfliktpartei. "Ich wollte die Wirklichkeit dokumentieren, mehr nicht,“ sagte er einmal. "Wenn daraus ein Vorwurf erwächst, dann entspringt er den Dingen, die ich dokumentiert habe.“ 

Unbeirrt baute Wiedenhöfer seine Wall-Dokumentation an Grenzen auf vier Kontinenten aus: in Bagdad und Belfast, in Zypern und Korea, in Marokko und Mexiko. Fünf Jahre nach dem ersten Antrag genehmigte der Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain Anfang 2013 schließlich die Ausstellung an der East Side Gallery. "Wall on Wall“ eröffnete im folgenden Sommer als Plakat-Show auf einem 364 Meter langen Teilstück der ehemaligen Berliner Mauer und wurde ein großer Erfolg. "Wir müssen über die Politik sprechen, die diese Mauern ermöglicht“, sagte der Kreuzberger Bürgermeister Franz Schulz zur Eröffnung. "Und darüber, was mit den Menschen geschieht, die durch diese Mauern getrennt werden.“ Später war die Freilicht-Ausstellung auch in Belfast und Oslo zu sehen.

Die Öffnung der deutsch-deutschen Grenze war das "positivste politische Ereignis" seines Lebens

2016 folgte, wieder an der East Side Gallery, "War on Wall“, Wiedenhöfers Dokumentation der Verheerungen des Syrienkriegs. Diesmal hatte er Panoramen zerstörter Städte neben Portraits versehrter Zivilisten gestellt. "Ich möchte Verständnis dafür wecken, warum die Menschen aus Syrien zu uns fliehen“, sagte der Fotograf.

Für den gebürtigen Schwaben aus Kirchheim unter Teck, der seine Herkunft selbst dann nicht verhehlen konnte, wenn er Arabisch sprach, schloss sich hier, an den Resten der Berliner Mauer, biografisch ein Kreis. Als junger Fotografie-Student hatte er die Öffnung der deutsch-deutschen Grenze mit der Kamera dokumentiert. Es hätte eigentlich seine erste Vorlesungswoche an der Folkwang Schule in Essen sein sollen. Aber Wiedenhöfer war kurzentschlossen über Nacht nach Berlin gefahren, um den historischen Moment nicht zu verpassen, "das positivste politische Ereignis meines Lebens“, wie er später sagte. "Damals dachten wir, wir haben jetzt eine freie Welt, grenzenlos. Mauern und Zäune wird es nicht mehr geben.“ 

Vom Kleinbild zum Panorama

Es kam anders. Doch gerade deshalb wurden die Erlebnisse des November 1989 für Wiedenhöfer zum lebenslangen schöpferischen Antrieb. "Es geht mir um diese einfältige Idee: Wir lösen ein Problem damit, dass wir mit einer Mauer oder einem Zaun eine Grenze verbarrikadieren. Das hat in der Geschichte so gut wie nie funktioniert. Die Reiche, die Mauern aufgebaut haben, sind fast alle gefallen,“ sagte Wiedenhöfer 2005. Da hatte er gerade die Kleinbild-Kamera beiseitegelegt, mit der er seit den frühen 1990er-Jahren überwiegend an Schwarzweiß-Reportagen gearbeitet hatte. 

Kai Wiedenhoefer Nachruf

Von nun an zog er – außer, wenn er Portraits machte – fast nur noch mit der Panorama-Kamera durch die Welt, einem klobigen Ungetüm, auf dessen Filmrollen gerade einmal je acht Aufnahmen passten. Für die Mode-Fotografie entwickelt nutzte Wiedenhöfer sie, um die großformatige Monstrosität von Grenzanlagen weltweit einzufangen und so die Strukturen der Ungleichheit und des Unrechts, die sie zementieren sollen, sichtbar und spürbar zu machen.

Für beide Teile seines Œuvres gewann er viele renommierte Auszeichnungen, darunter zwei World Photo Awards, die Leica Medal of Excellence, den Eugene Smith Grant in Humanistic Photography und den Carmignac Gestion Photojournalism Award. 2016 ehrte die Internationale Menschenrechtsliga Kai Wiedenhöfer mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille.

Wiedenhöfer liebte seine Unabhängigkeit

In einer Zunft, deren Mitglieder dazu neigen, viel Aufhebens von sich zu machen, weil Aufmerksamkeit eben zum Geschäft gehört, war Kai Wiedenhöfer ein stiller Arbeiter. Glamouröse und hochdotierte Stipendien-Wettbewerbe waren für ihn vor allem Mittel zum Zweck. Sie verschafften ihm die Freiheit, weitgehend unabhängig von Redaktionen mit ihren im Wind der Aktualität flatternden Interessen zu bleiben. Der stern hat viele seiner Geschichten gedruckt. Zu den besten gehören die, die ohne Zeitdruck und Redaktionsauftrag entstanden sind. So wie die Reportage "Die Palästinenser – Ein Volk im Ghetto“, für die Wiedenhöfer und die stern-Reporterin Stefanie Rosenkranz 1998 mit dem renommierten Hansel-Mieth-Preis ausgezeichnet wurden.

Als zentrales Thema ragt der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern aus Wiedenhöfers Lebenswerk heraus, während seiner frühen Phase als Reportage-Fotograf und auch in seiner späteren, stark konzeptionalisierten Fotografie rund um das Thema Grenzen. Neben der Erfahrung des Berliner Mauerfalls blieb das Erlebnis der wachsenden Ausgrenzung der Palästinenser durch die israelische Sperranlage im besetzten Westjordand sein zweiter zentraler Referenzpunkt. Während der 1990er- und frühen 2000er-Jahre durchkämmte er auf seinem BMW-Motorrad die Westbank – und konnte zusehen, wie dort allerorten Zäune und Mauern in die Höhe schossen und die Menschen auf beiden Seiten einander zusehends entfremdeten.

Immer wieder: Gaza

Im Gazastreifen, wo er mehr als ein Jahr lebte, entstand Wiedenhöfers vielleicht poetischstes Bild: das Portrait eines lachenden Jungen am Strand, der mit einem Pferd spielt. Ebenfalls dort traf ihn einmal das Gummigeschoss eines israelischen Scharfschützen knapp unterhalb des Knies in die Wade, als er eine Beerdigung fotografierte. Andere hätten sich von so einem Erlebnis einschüchtern lassen. Wiedenhöfer blieb, doch ohne jedes Bravado.

Ein enger Freund, der Fotograf Antonio Olmos, erinnert sich an eine Begegnung aus jener Zeit. Am Stadtrand von Nablus im Norden des Westjordanlands trafen er und Wiedenhöfer auf den israelischen Soldaten Ofer Marx, der mit anderen Rekruten eine Straßensperre bewachte. Während die noch diskutierten, ob sie die Reporter durchlassen sollten, entdeckte Marx die Flagge Baden-Württembergs, die Wiedenhöfer hinten an seiner Maschine befestigt hatte. Und es stellte sich heraus, dass die Familie des Soldaten, wie Wiedenhöfer,  von der Schwäbischen Alb stammte, aus dem Dorf Buttenhausen, dessen jüdische Gemeinde im Holocaust ausgelöscht worden war. 

Er war sich der historischen Verantwortung bewusst

Auf dem dortigen jüdischen Friedhof seien Generationen seiner Vorfahren beerdigt, sagte Marx den Fotografen. Wiedenhöfer kannte den Ort genau, denn mit einer Dokumentation über genau diesen Friedhof hatte er sich Jahre zuvor zum Fotografiestudium in Essen beworben. Auf einmal war da an diesem gottverlassenen Checkpoint eine Verbindung zwischen dem deutschen Fotografen und dem israelischen Rekruten. "Es war einer dieser Momente, in denen etwas über Kai ans Licht trat, was eine Kamera nie hätte einfangen können“, sagt Olmos. "Als Deutscher fühlte er eine historische Verantwortung für das, was in Israel und Palästina passierte.“

In den vergangenen Monaten hatten die Freunde begonnen, Pläne für eine Rückkehr in den Gazastreifen nach Ende des aktuellen Kriegs dort zu schmieden. "Auch wenn wir beide skeptisch waren, ob wir mit unseren Kameras etwas würden ausrichten können: Kai fühlte sich verpflichtet, diese Katastrophe zu dokumentieren,“ sagt Olmos.

Am zweiten Weihnachtstag brach Wiedenhöfer mit seinem Fahrrad von seinem Heimatort Kirchheim unter Teck aus zu einer Tour über die Schwäbische Alb auf. Stunden später wurde er etwa 80 Kilometer entfernt bewusstlos am Straßenrand gefunden. Er hatte einen Herzinfarkt erlitten. An dessen Folgen ist er am 9. Januar 2024 mit 57 Jahren verstorben.

"Dass Kai Wiedenhöfer nicht mehr lebt, macht mich fassungslos,“ hat sein Verleger Gerhard Steidl dem stern geschrieben. "Seine Anteilnahme, seine humanistische Haltung und seinen Wagemut habe ich genauso bewundert wie seine Leistungen als Fotograf und seinen Sinn für das Büchermachen. Er fehlt.“

So geht es vielen, die Kai begegnet sind.






Загрузка...


Губернаторы России
Москва

Собянин прибыл в Китай с рабочим визитом


Спорт в России и мире
Москва

В УФСИН России по Республике Дагестан прошли лично-командные соревнования по легкой атлетике


Загрузка...

Все новости спорта сегодня


Новости тенниса
ATP

Лучший теннисист Казахстана узнал позицию в обновленном рейтинге ATP


Загрузка...


123ru.net – это самые свежие новости из регионов и со всего мира в прямом эфире 24 часа в сутки 7 дней в неделю на всех языках мира без цензуры и предвзятости редактора. Не новости делают нас, а мы – делаем новости. Наши новости опубликованы живыми людьми в формате онлайн. Вы всегда можете добавить свои новости сиюминутно – здесь и прочитать их тут же и – сейчас в России, в Украине и в мире по темам в режиме 24/7 ежесекундно. А теперь ещё - регионы, Крым, Москва и Россия.


Загрузка...

Загрузка...

Экология в России и мире
Москва

Козлов: Россия и КНДР прорабатывают возможность запуска прямых рейсов





Путин в России и мире
Москва

СЕНСАЦИОННЫЙ ДОКЛАД ПРО ДЕЛО СКРИПАЛЕЙ, САФРОНОВА, ГОЛУНОВА.


Лукашенко в Беларуси и мире



123ru.netмеждународная интерактивная информационная сеть (ежеминутные новости с ежедневным интелектуальным архивом). Только у нас — все главные новости дня без политической цензуры. "123 Новости" — абсолютно все точки зрения, трезвая аналитика, цивилизованные споры и обсуждения без взаимных обвинений и оскорблений. Помните, что не у всех точка зрения совпадает с Вашей. Уважайте мнение других, даже если Вы отстаиваете свой взгляд и свою позицию. Smi24.net — облегчённая версия старейшего обозревателя новостей 123ru.net.

Мы не навязываем Вам своё видение, мы даём Вам объективный срез событий дня без цензуры и без купюр. Новости, какие они есть — онлайн (с поминутным архивом по всем городам и регионам России, Украины, Белоруссии и Абхазии).

123ru.net — живые новости в прямом эфире!

В любую минуту Вы можете добавить свою новость мгновенно — здесь.





Зеленский в Украине и мире

Навальный в России и мире


Здоровье в России и мире


Частные объявления в Вашем городе, в Вашем регионе и в России






Загрузка...

Загрузка...



Вольфганг Амадей Моцарт

«12 Шедевров Моцарта» от Amadeus Concerts



Москва

Права инвалидов обсудили в прокуратуре в Реутове

Друзья 123ru.net


Информационные партнёры 123ru.net



Спонсоры 123ru.net