Bloggerin in Buch vorgeführt: Kabarettistin Monika Gruber muss sich entschuldigen. Öffentlich
Die Kabarettistin Monika Gruber hat in ihrem neuen Buch eine unbekannte Bloggerin öffentlich vorgeführt. Die Frau hat Morddrohungen erhalten. Nach einem Shitstorm will der Verlag die Passage im Buch ändern. Das reicht nicht.
Die Kabarettistin Monika Gruber hat in ihrem neuen Buch eine bis dato unbekannte Bloggerin als angeblich wirre Tugendwächterin vorgeführt. Die Frau hat Presseberichten zufolge jetzt Morddrohungen erhalten. Nach einem Shitstorm gegen Gruber hat der Piper Verlag angekündigt, die Passage im Buch zu ändern. Ist die Sache damit erledigt? Leider nicht. Die Causa Gruber zeigt, dass Unbekannte, die ein wenig im Netz schreiben, damit rechnen müssen, in die Öffentlichkeit gezerrt zu werden. Und womöglich bedroht werden. Nur, weil Kabarettistinnen wie Gruber und Verlage wie Piper für schnelle Gags und Auflage publizistische Grundsätze missachten.
Für alle, die im Jahreswechsel von der Affäre nichts mitbekommen haben: Die Frau, die hier namentlich nicht genannt werden soll, schreibt im Netz unter anderem über Bücher. Sie hat auf Instagram keine 1.500 Follower. Auf Facebook lesen 1.233 ihre Buchtipps. Auf der Plattform X (früher Twitter) sind es etwas mehr als 4.500. In ihren Posts engagiert sich die Bloggerin, wenn man sie überhaupt so nennen kann und will, unter anderem gegen Rassismus und Rechts. Im März warnte sie auf X: "Rechtsextreme Frauen unterwandern aktuell aktiv die textile Hobbyszene … Bitte setzt euch aktiv damit auseinander, wer was anbietet." So weit, so harmlos. In ihrem Buch macht sich Monika Gruber über diesen Post und die Bloggerin lustig. "Warum Nazis gerne stricken. Die wirre Masche mancher Tugendwächter", titelt sie und nennt die Bloggerin eine "selbst ernannte Influencerin und Tugendwächterin", die "Schwurbelgut" verbreiten würde.
Monika Gruber veröffentlich Namen der Bloggerin
Gruber und ihr Co-Autor, der Journalist Andreas Hock, der mal Chefredakteur der Nürnberger Abendzeitung war, nennen den vollen Namen der Buchbloggerin. Er klingt nicht typisch deutsch. Gruber und Hock wagen die Unterstellung, die Bloggerin würde unter falschen Namen schreiben, weil das besser klinge: "Heißt … vielleicht im wahren Leben doch bloß 'Maria Müller' und hat sich kurzerhand umbenannt, da beides – sowohl Vor- als auch Nachname – schwer nach 'Bund deutscher Mädel' klingt? Das allerdings wäre dann natürlich eine illegitime kulturelle Aneignung." Und weiter: Eine Frau mit so einem Namen würde man nicht im Strickkurs vermuten, sondern "eher beim tantrischen Shakren-Turnen oder einem vegangen Urschrei-Seminar." Das empfand nicht nur die Bloggerin als rassistisch. So nach dem Motto: Maria Müller kann stricken, Frauen mit migrantischen Namen können nur Tantra.
Im Netz brach ein Shitstorm gegen Monika Gruber los. Zurecht. Gut, dass die Internetgemeinde es nicht einfach hinnimmt, wenn Leute zu Unrecht öffentlich vorgeführt und rassistisch beleidigt werden. Die Frau erhielt, so sagte sie der Presse, Drohungen, in denen von "Vergewaltigung und sogar Mord" die Rede gewesen sei. STERN 50_23 Woke ABC
Man fragt sich, warum Gruber und Hock keine Gegenrecherche gemacht haben. Schon die Fotos der Frau zeigen, dass sie kein blondes, deutsches Mädel ist – wie es das Ideal des "Bund deutscher Mädel" war. Und vielleicht hätte sie ihnen auf Nachfrage das erzählt, was sie nun im Internet veröffentlicht hat: Ihr Vater war Inder.
Man fragt sich, warum die Rechtsabteilung bei Piper den Namen der Bloggerin nicht aus dem Manuskript gestrichen hat. Die paar Buchrezensionen machen sie noch lange nicht zur relativen Person der Zeitgeschichte. Darunter versteht man, vereinfacht gesagt, Menschen, deren Persönlichkeitsrechte eingeschränkt sind, weil die Öffentlichkeit zurecht ein begrenztes Interesse an ihnen haben darf. Ob die Passage von Kunstfreiheit und Satire gedeckt ist, dürfte Gegenstand rechtswissenschaftlicher Seminare werden. Allerdings hätte man bei Piper darauf kommen dürfen und müssen, dass Menschen, die so gehässig vorgeführt werden, bedroht werden könnten.
Handarbeitskurse geradezu prädestiniert für rechte Ideologinnen
Von alldem abgesehen, ist die Warnung der Bloggerin keineswegs "Schwurbelgut". Handarbeit erfährt nicht die Wertschätzung, die sie verdient. Nicht nur, weil Handarbeiterinnen (die meisten sind Frauen) oft gezwungen sind, ihre selbst gestrickten, gehäkelten oder gefilzten Produkte unter Wert zu verkaufen. Gestricktes, Gehäkeltes, Geknüpftes und Geklöppeltes gilt als Kunsthandwerk, nicht aber als Kunst. Böse formuliert: Drei Kleckse und sechs Striche auf einer Leinwand können als moderne Kunst durchgehen. Ein kunstvoll gestricktes Tuch mit kompliziertem Muster bleibt dagegen Kunsthandwerk, obwohl es Kunst sein kann. Aber die Arbeit mit der Hand war schon in der Antike nicht besonders angesehen (natürlich zu Unrecht). Kunstvereine weigern sich häufig, Kunsthandwerkende aufzunehmen. STERN PAID 50_23 Was darf man noch sagen? 11.25
Genau in diese Lücke stoßen Rechtsextreme, die Vereine, Initiativen, Kurse und dergleichen unterwandern. Frauen spielen bei dieser Strategie, alle gesellschaftlichen Schichten zu infiltrieren, eine Schlüsselrolle. Sie verbreiten rechtsextremes Gedankengut en passant: als Betreuerin im Schwimmkurs, beim Yoga für werdende Müller, als Mutter im Elternbeirat, bei Kinderfesten, wo sie Kaffee und Kuchen austeilen. "Frauen sind Sympathieträgerinnen, ihnen wird anscheinend eine Art generalisiertes Vertrauen entgegengebracht", warnt die Bundeszentrale für politische Bildung. Handarbeitskurse sind geradezu prädestiniert für rechte Ideologinnen. In der NS-Zeit war Handarbeit fester Bestandteil der Mädchenerziehung. Hier erfahren Frauen endlich Wertschätzung für ihre Handarbeit. Während Kunstvereine – und nicht nur sie – "Stricklieseln" oft eher belächeln.
Wertschätzung ist also angesagt. Menschen gegenüber, die stricken und klöppeln. Und Frauen gegenüber, die gut gemeinte Ratschläge im Netz verbreiten. Gruber, Hock und der Piper Verlag könnten damit anfangen: Und sich bei der Bloggerin entschuldigen. In aller Öffentlichkeit. Genau dort, wo sie die Frau vorgeführt und angegriffen haben.
Transparenzhinweis: Kerstin Herrnkind studiert – wie die von Gruber angegriffene Frau – Neuere deutsche Literatur an der Fernuni Hagen. Sie kennt ihre Kommilitonin allerdings nicht persönlich. Ihre Anfrage ließ die Bloggerin unbeantwortet.