Schöne Bescherung

Am Tag vor Heiligabend verlieren die GIESSEN 46ers nach nur sechs Punkten im Schlussabschnitt gegen die BG Göttingen mit 61:83.

Weihnachtliche Wortspiele gibt es reichlich. Die einen sprechen von einem ordentlichen Päckchen, das sich das Team abgeholt habe. Andere wiederum beobachteten, dass die Mannschaft schon vor dem eigentlichen Fest reichlich Geschenke verteilt habe. Im Falle der GIESSEN 46ers am zutreffendsten ist wohl: Schöne Bescherung! 

Denn am Tag vor dem Fest der Liebe setzte es eine deftige 61:83 (36:51)-Heimniederlage gegen die BG Göttingen, die nicht nur den Anhängern in der ausverkauften Osthalle die Stimmung verhagelte, sondern auch Cheftrainer „Frenki“ Ignjatovic recht ratlos zurückließ: „Das wird leider kein schöner Heiligabend“, stützte der 59-Jährige, sichtlich angeschlagen ob der Ereignisse zuvor, seinen Kopf auf seine Hände. „Die Leistung meiner Jungs heute ist mir ein Rätsel.“ Es war eine Einschätzung, mit der der Mann aus Belgrad nicht alleine war. Vereinzelt pfiffen die Anhänger das Team bei dessen recht schnellem Abgang in die Kabine aus, während die Stehtribüne „Rot und Weiß, ein Leben lang …“ schmetterte. 

„Irgendwie haben wir kein Rezept gefunden. Für uns kann es jetzt nur heißen, schnell den Reset-Knopf zu drücken, einen Neustart auszurufen und versuchen, endlich in einen Flow zu kommen und mal eine Serie zu starten. Ich denke, am Freitag in Nürnberg beginnt die Saison für uns wieder von null“, suchte Luis König Figge in Anbetracht des Crunchtime-Debakels gegen den BBL-Absteiger nach Erklärungen. Auch Kapitän Robin Benzing war einigermaßen fassungslos: „Wir befinden uns in einer echt schwierigen Situation. Dieser Herausforderung müssen wir uns stellen. Ab heute kann es für uns nur noch darum gehen, irgendwie die Playoffs zu erreichen. Dann sehen wir weiter.“ 

Dass dieses Vorhaben nach dem Abrutschen auf Tabellenplatz 10 und vor dem 15. Spieltag in der BARMER 2. Basketball-Bundesliga ProA mit dem Freitag-Gastspiel bei den Falcons schwierig wird, zeigte die Verunsicherung des Gießener Teams gegen die Süd-Niedersachsen, die in der Osthalle nur mit einer Sieben-Rotation angetreten waren. Kevin Buckingham, Robin Lodders, Jannis Jünemann und Zach Jackson fehlten verletzungsbedingt, die Hausherren fanden jedoch nie ein Mittel, aus der personellen Not der „Veilchen“ Kapital zu schlagen. So dass BG-Trainer Fabian Strauß, der nach fünf Niederlagen an der Lahn mit seinem vorherigen Team aus Dresden erstmals als Gewinner die Heimreise antrat, glücklich verkündete: „Ich bin stolz, was meine Jungs hier physisch abgerissen haben. Alle sind füreinander eingestanden, klasse!“

Während die Gäste Spaß am Spiel hatten, das Bällchen laufen ließen und sicher abschlossen, agierten die Hausherren frei nach dem Melodram von Rainer Werner Fassbinder, „Angst essen Seele auf.“ 

Göttingen lag zur Halbzeit schon mit 15 Punkten in Führung, als das Momentum langsam, aber sicher auf 46ers-Seite zu kippen schien. Nach einem krachenden Dunk von Abu Kigab, der im Gegensatz zu seinem starken 17-Punkte-Debüt drei Tage zuvor in Quakenbrück kaum wiederzuerkennen war, war der Rückstand auf zehn Zähler geschmolzen (41:51, 23.). Als Kyle Castlin ein famoses Solo zum 53:57 (27.) beendete und Aiden Warnholtz zum 55:61 (30.) traf, waren die Hausherren wieder dran.

Statt die Halle mitzunehmen, versagten ihnen aber die Nerven. Ein Dreier durch Daniel Norl (58:64, 32.), ein Treffer aus der Mitteldistanz von Aiden Warnholtz (60:74, 35.) und ein Freiwurf durch Luis König Figge (61:78, 38.) bedeuteten nur sechs 46ers-Punkte im Schlussabschnitt und damit die zweitmagerste Ausbeute in einem Viertel in jenen 138 Pflichtspielen, seit „Frenki“ Ignjatovic im Sommer 2022 das Traineramt an der Lahn übernommen hat. 

„Wenn du alles versuchst, aber nichts triffst, dann zermürbt dich das irgendwann“, beschrieb Robin Benzing treffend die schweißnassen Hände, die er und seine Nebenleute von Minute zu Minute mehr bekamen. Insgesamt fünf Zweier- und sieben Dreier-Versuche blieben im letzten Viertel ungenutzt, dazu kamen ein vergebener Freiwurf, drei holprige Ballverluste und zwölf heruntergepflückte Göttinger Rebounds, obwohl die Hausherren deutlich mehr Körperlichkeit auf dem Parkett zu bieten hatten.

Unter dem Strich war es eine Bilanz des Grauens der GIESSEN 46ers, die laut Robin Benzing „zumindest nach der Pause gar nicht mal so schlecht verteidigt“ und den „Veilchen“ nur 32 Zähler gestattet hatten, die jedoch offensiv fast alles verballerten, was ihnen in die Finger kam. Benzing selbst (zwei von zwölf), aber auch Pointguard Simon Krajcovic, der völlig ohne Punkte blieb (null von vier), Center Jonathan Maier (eins von acht), Abu Kigab (drei von zehn) und Aiden Warnholtz (drei von neun) trafen kaum ein Scheunentor und konnten sich am Ende auch nicht daran erfreuen, dem Gegner achtmal die Kugel gestohlen, „nur“ 13 Ballverluste produziert oder das offensive Brett dominiert zu haben.

„Ich kann mich nur bei allen Fans dafür bedanken, dass sie uns gerade in Halbzeit zwei nach vorne gepusht haben“, freute sich Branislav Ignjatovic über die „wieder einmal grandiose Unterstützung“. Ehe jener christlich-orthodoxe Mann, für den erst am 6. Januar Heiligabend ist, melancholisch wurde: „Bitte glaubt weiter an uns!“

Denn: Sieben Siege bei sieben Niederlagen sind auch angesichts im Sommer höher formulierter Ziele kein Weltuntergang. Aber ein Alarmzeichen. „Noch haben wir 20 Partien vor der Brust“, so Energizer Luis König Figge. Am 2. Weihnachtsfeiertag (18.30 Uhr) in der KIA Metropol Arena der Nürnberg Falcons gleich eines, bei dem es für die 46ers nur heißen kann, nicht wieder Leidtragende weihnachtlicher Wortspiele zu sein.

Gießen: Norl (6), Warnholtz (7), Goodman (4), Castlin (17), Benzing (7), Maier (5), König Figge (7), Müsse (n.e.), Gloger (2), Nyama (n.e.), Kigab (6), Krajcovic.

Göttingen: Schmitz, Ramstedt (13), Sears (18), Kirchner (9), Bode (n.e.), Haase (n.e.), Drescher (14), Nguyen (n.e.), Mönninghoff (14), Böhmer (15). 

UND SONST NOCH …

• Unsere Starter: Kyle Castlin, Robin Benzing, Jonathan Maier, Luis König-Figge, Simon Krajcovic.
• Unser Konditions-Wunder: Kyle Castlin (27:37 Minuten).
• Unser stärkster Rebounder: Jonathan Maier (8).
• Unser erfolgreichster Passgeber: Simon Krajcovic (8).
• Unsere höchste Führung: 6:2 (2. Minute).
• Unsere erfolgreichste Serie: 8:0 zum 36:26 (15. Minute).
• Unsere emotionalen Beobachter: 2404 Zuschauer in der Osthalle (ausverkauft).
• Unser nächster Auftritt: Freitag, 26. Dezember (18.30 Uhr), bei den Nürnberg Falcons BC.

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