Borussia Dortmund: Sportlich stabil – aber ein Hauch vom FC Hollywood

Zweiter zur Winterpause. Nur eine Ligapleite in dieser Saison. Trotzdem herrscht eine latente Unruhe rund um den BVB. Man wird das Gefühl nicht los: Irgendetwas rumort im Klub. Das letzte Spiel des Kalenderjahres stand sinnbildlich für die vergangenen Monate bei Borussia Dortmund . Der 2:0-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach war nicht glanzvoll, stand vielmehr lange auf der Kippe, da man verpasste, das Spiel vorzeitig zu entscheiden. So wurde es eine Zitterpartie bis in die Schlussminuten. Und das ging in der Hinrunde nicht selten schief: fing sich der BVB doch gegen St. Pauli in der 89. Minute; gab es doch gegen den HSV , den VfB Stuttgart und in der Champions League gegen Juventus Turin Gegentore in der Nachspielzeit, die jedes Mal den Sieg kosteten. Diesmal erlöste Maximilian Beier die BVB-Fans mit seinem späten Treffer in der siebten Minute der Nachspielzeit und bugsierte die Borussia auf den zweiten Tabellenplatz zur Winterpause. So gut wie jetzt war der BVB seit 2018 nicht Verglichen mit den Vorjahren hat Dortmund damit nicht nur tabellarisch einen gehörigen Schritt nach vorn gemacht. 32 Zähler nach 15 Spieltagen sind die beste Ausbeute seit sieben Jahren. Alles bestens also? Mitnichten. Nebengeräusche, und damit sind wir beim Sinnbildhaften, störten gegen Gladbach einmal mehr den sportlichen Erfolg. Weil Nationalspieler Karim Adeyemi zum wiederholten Male, gelinde gesagt, nicht einverstanden war mit seiner Auswechslung. Der 23-Jährige wollte auf direktem Wege in die Kabine stapfen. Sportdirektor Sebastian Kehl hielt ihn davon ab und verpasste ihm anschließend für sein unkollegiales Verhalten eine Geldstrafe. Auch der in der Hinrunde enttäuschende Torjäger Serhou Guirassy (nur 5 Tore in 14 Einsätzen) – um den es schon Abschiedsgerüchte gab – motzte beim Verfolgerduell in Leverkusen vor wenigen Wochen öffentlichkeitswirksam über seine Auswechslung, verweigerte dem Trainer den Handschlag und feuerte seine Handschuhe zu Boden. Andere – Schlotterbeck, Brandt oder auch Torwart Kobel – monierten vor laufenden Kameras die aus ihrer Sicht zu uninspirierte Spielweise unter Trainer Niko Kovač. Der Vater von 30-Millionen-Neuzugang Jobe Bellingham stand nach dem Spiel beim FC St. Pauli plötzlich in den Stadion-Katakomben und diskutierte aufgebracht mit BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl über die aus seiner Sicht zu frühe Auswechslung seines Filius. Wohlgemerkt nach dem ersten Ligaspiel. Ein Hauch vom "FC Hollywood" am Borsigplatz Bei derart häufigem Spieler-Theater wähnte man sich zeitweise an der Säbener Straße der Neunzigerjahre – eine Light-Version vom "FC Hollywood". Und derlei geballte Unmutsbekundungen, die alle in Richtung Trainer zielten, vermittelten ein Gefühl, als würde es sportlich überhaupt nicht laufen beim BVB. Was schließlich dazu führte, dass Borussias Geschäftsführer Lars Ricken zuletzt im "Kicker"-Interview mit Nachdruck festhalten musste: "Um es klar zu sagen: Zwischen Niko und der Mannschaft passt es." Den Eindruck konnte man wahrlich nicht immer gewinnen, obwohl die Ergebnisse zumeist passten. Und das bereits, seit der Ex-Bayern-Trainer, den viele Beobachter für die falsche Besetzung bei der gehörig ins Schlingern gerateten Borussia hielten, im Februar übernommen hat. Kovač bekam die wankelmütige Mannschaft innerhalb kürzester Zeit in den Griff und schaffte mit einem furiosen Saisonendspurt (sieben Siege aus den letzten acht Spielen, dazu ein Remis in München) sogar noch die nicht mehr für möglich gehaltene Qualifikation für die Champions League . Der Trend setzte sich in der neuen Saison fort. Seit Mitte März hat Dortmund nur eine Bundesliga-Partie verloren. Im Oktober mit 1:2 bei den Bayern. Sportliche Stabilität ist dank Kovač eingekehrt beim BVB, aber eben längst keine Ruhe. Neben den Mätzchen rund um die Spiele bestimmte allen voran Adeyemis ominöse Waffenbestellung im Internet für einige Wochen die Schlagzeilen. Der Flügelstürmer war zu einer Geldstrafe von 450.000 Euro verurteilt worden. Ein dauerhaft schwelendes Thema ist zudem die weiterhin nicht erfolgte Vertragsverlängerung von Abwehrchef Nico Schlotterbeck , der das neue Aushängeschild beim BVB werden soll, mit seiner Unterschrift aber zögert. Ricken: "Müssen uns im neuen Jahr weiterentwickeln" Obwohl die sportlichen Leistungen weit weniger Angriffsfläche boten als in den Vorjahren, ergab sich durch viele Störfeuer rund um den Borsigplatz eine diffuse Stimmung einer latenten Unzufriedenheit. Auch, weil sich der Eindruck verfestigte: Irgendwie wäre sportlich noch mehr drin gewesen. Was auch Ricken einräumt: "Am Ende freute sich zu häufig der Gegner über späte Tore und Punkte. Hätten wir diese Spiele gewonnen, stünden wir in der Bundesliga und der Champions League noch besser da." Er liefert den entscheidenden Zusatz: "Spitzenmannschaften gehen diese Schritte." Sein BVB eben noch nicht. Denn zur Wahrheit gehört auch: Trotz der punktemäßigen Verbesserung ist Dortmund praktisch genauso weit von Titeln und Trophäen entfernt wie in den Jahren zuvor. In der Meisterschaft sind die Bayern noch immer eine Liga für sich, und im Pokal hat man sich – mal wieder – vorzeitig verabschiedet. Und obwohl man in der Champions League zusammen mit Paris Saint-Germain die meisten Tore erzielt hat (19) und auf Kurs K.-o.-Phase ist, zählt der BVB dort nicht zum engeren Favoritenkreis. Also alles wie immer beim BVB – nur auf stabilerem Niveau? Ricken kündigt an: "Von uns geht niemand selbstzufrieden in die kurze Winterpause." Ehe er zum Knackpunkt kommt: "Uns ist allen bewusst, dass wir uns im neuen Jahr weiterentwickeln müssen." Dieser Appell sollte nicht nur für die Leistungen der Profis auf dem Platz gelten, sondern auch für das Verhalten daneben.