Kraichtal: Bürgermeister Hintermayer tritt nach Grabenkämpfen nicht mehr an
Von Hans-Joachim Of
Kraichtal. Überraschung in Kraichtal. "Nach reiflicher Überlegung habe ich mich in Absprache mit meiner Familie entschieden, nicht mehr für eine dritte Amtszeit als Bürgermeister zu kandidieren", hatte Ulrich Hintermayer kürzlich erklärt. Die Wahl in der 15.000-Einwohner-Stadt Kraichtal findet am 14. März 2021 statt.
Der 54-jährige Verwaltungschef wird nun nicht, wie ursprünglich geplant war, in Münzesheim sesshaft werden und ein Haus bauen, sondern im nächsten Jahr in seinen ursprünglichen Heimatort Wiesental zurückkehren. "Der Rohbau auf dem Grundstück meiner Eltern steht schon", teilte er mit. "Der eine oder andere mag meinen Entschluss unterschiedlich bewerten, doch ich bitte darum, meine Entscheidung, die ich aus privaten Gründen getroffen habe, zu respektieren", betonte CDU-Mitglied Hintermayer.
Er war insgesamt 37 Jahre im Öffentlichen Dienst tätig, davon 19 Jahre als Bürgermeister – zunächst in Illingen im Enzkreis, seit 2005 in Kraichtal. "Mehr Zeit mit der Familie verbringen" sowie private, vielleicht auch berufliche, Schwerpunkte setzen, stehen in Zukunft ganz oben auf der Agenda, gab der Noch-Rathauschef zu Protokoll. Über die Gründe für seinen Rückzug kann man spekulieren. "Das politische Klima in der Stadt hat sich aus meiner Sicht im Laufe der Jahre verändert", sagte Hintermayer, der den offenen Disput aus den eigenen Reihen nicht als Grund für seinen Rückzug ins Felde führt: "Das war nicht ausschlaggebend."
Zwischen Gemeinderat und der Verwaltung habe es in vielen Fällen kein konstruktives Miteinander gegeben. Dazu kamen viele Grabenkämpfe auch in den neun Stadtteilen. Bekanntlich gab es im Frühjahr heftige, öffentliche Kritik aus der CDU-Fraktion, die im Plenum mit elf Sitzen die Mehrheit hat. Diese hatte dem Amtsinhaber ihre Unterstützung bei einer möglichen Kandidatur entzogen. "Stillos", nennt Hintermayer das. Das ungewöhnliche öffentlichkeitswirksame Vorgehen war auch für andere Ratsmitglieder eher befremdlich und hatte in der Stadt sowie im Umfeld für Diskussionsstoff gesorgt. "Eine Aussprache gab es nicht", sagte Hintermayer, der sich jedoch von der CDU Kraichtal sowie von Parteikollegen "wegen der fehlenden Rückendeckung" enttäuscht zeigte. Aus der Einwohnerschaft hätten ihn jedoch zahlreiche aufmunternde Worte und Mails erreicht.
CDU-Fraktionssprecher und Bürgermeister-Stellvertreter Alfred Richter teilte zur Situation mit: "Ulrich Hintermayer ist auf mehrere, schriftlich formulierte Gesprächsangebote nicht eingegangen. Jetzt stehen die Zeichen auf Neuanfang." Rückblickend sei natürlich nicht alles schlecht gewesen, doch zukünftig wolle man den Weg mit jemand anderem gehen, sagte Richter, der seit 1989 Stadtrat und seit 2001 Fraktionsvorsitzender ist.
Er selbst strebe jedoch keine Kandidatur an. "Meine Lebensplanung sieht anders aus." In der Vergangenheit habe es viel Stillstand gegeben, zumal auch die Fluktuation im Rathaus erheblich war. "Da hat einfach Kontinuität gefehlt." Bei den Mitarbeitern sei ein gewisser Verdruss spürbar gewesen, lautet die Einschätzung Richters. Jetzt gelte es, die Zeit bis zum Frühjahr 2021 mit Anstand zu Ende zu bringen, zumal noch viele wichtige Aufgaben und Themen wie Haushalt, Personal oder Gewerbe anstehen würden. Danach werde in Kraichtal "eine neue Dynamik" einkehren.
Den Vorwurf, er würde in Kraichtal keine Impulse setzen, hatte der amtierende Rathauschef damit gekontert, dass viele konstruktive Vorschläge und Ideen bereits im Vorfeld abgeblockt worden seien. "Als Moderator habe ich stets versucht zu vermitteln und alles zu einem guten Ende zu führen."
Hintermayer erinnert an die "endlosen Diskussionen und Auseinandersetzungen" um den Bau der Mehrzweckhalle Bahnbrücken und besonders auch an das 15 Millionen Euro teure Großprojekt "Gemeinschaftsschule" im Stadtteil Münzesheim, das er gegen die Stimmen der CDU durchsetzte: "Das haben sie mir bis heute übel genommen."
Vielleicht war das am Ende ein Mosaikstein in den Gedankengängen des Verwaltungschefs? Hatte er sich im Laufe der Zeit ein dickes Fell zugelegt, perlte alles von ihm ab? Nagte die innerparteiliche Kritik an ihm auch persönlich? "Das ging teilweise schon unter die Gürtellinie und hat natürlich auch meine Familie mitbekommen", sagte Hintermayer, der im Rückblick von Höhen und Tiefen mit wertvollen Erfahrungen während seiner Amtszeit in Kraichtal spricht. Ob er rückblickend etwas anders machen würde? "Keiner ist fehlerfrei. Das Stadtteildenken ist jedoch immer noch stark ausgeprägt und hat die Arbeit nicht unbedingt erleichtert."