Heidelberg: Auf einmal hat die Kultur keinen eigenen Bürgermeister mehr
Von Timo Teufert
Heidelberg. Heidelberg ist bekannt für seine kulturelle Vielfalt. Festivals wie der Heidelberger Frühling sorgen für ein bundesweites Renommee. Doch dieser Ruf ist jetzt in Gefahr: Denn in der Kulturstadt Heidelberg soll es - geht es nach den Plänen von Oberbürgermeister Eckart Würzner und den Fraktionen von Grünen, CDU und SPD - keinen Kulturbürgermeister mehr geben.
Mit dem neuen Dezernatszuschnitt, den Würzner zusammen mit den Fraktionsvorsitzenden Derek Cofie-Nunoo (Grüne), Jan Gradel (CDU) und Anke Schuster (SPD) am Dienstag vorstellte, wird das Kulturamt, das die Kulturpolitik in der Stadt verantwortet und für Fördermittel zuständig ist, künftig einem anderen Bürgermeister unterstellt sein als die anderen großen städtischen Kultureinrichtungen wie das Theater, das Kurpfälzische Museum, die Stadtbücherei oder die Musik- und Singschule. Damit wäre Heidelberg die einzige kreisfreie Stadt in Baden-Württemberg, die keinen Kulturbürgermeister hat.
Um das neue Dezernat "Klimaschutz, Umwelt und Mobilität" auszustatten, für das die Grünen das Vorschlagsrecht bekommen sollen, musste der grüne Bürgermeister Wolfgang Erichson das Amt für Umweltschutz, das Landschafts- und Forstamt sowie die Abfallwirtschaft und Stadtreinigung an seinen zukünftigen Kollegen abgeben, der das Amt zum 1. Oktober 2020 antreten soll.
Im Gegenzug soll Erichsons Dezernat dafür das Amt für Digitales - das bisher dem OB unterstellt war -, das Kinder- und Jugendamt und das Kulturamt zugeschlagen bekommen. Sowohl das Kinder- und Jugendamt als auch das Kulturamt waren bisher Bürgermeister Joachim Gerner (SPD) zugeordnet, der die Verantwortung für die großen kulturellen Einrichtungen wie das Kurpfälzische Museum, die Musik- und Singschule und die Stadtbücherei behalten soll.
Mit dem Dezernatswechsel wird damit der Kunst- und Jugendbereich zerschlagen. Und dadurch taucht die Kultur weder bei Gerner (Dezernat für Soziales und Bildung) noch bei Erichson (Jugend, Digitalisierung und kreative Stadt) in der Amtsbezeichnung auf - einen Kulturbürgermeister gibt es damit nicht mehr.
Kritik ist vor allem aus dem Umfeld der städtischen Kultureinrichtungen zu hören. Dort bezeichnet man die Vorgehensweise - die Amtsleiter wurden an der Entscheidung nicht beteiligt und von der Verwaltungsspitze nur lapidar per E-Mail über die neue Struktur informiert - als skandalös, vertrete die Kultur doch Werte, deren Vermittlung heute wichtiger denn je sei. Deshalb sei es absolut unerträglich, dass dieses Zeichen gerade von der neuen starken Kraft im Gemeinderat - die Grünen haben 16 von 48 Sitzen - ausgehe. Sie hatten seit der Wahl beim Oberbürgermeister immer wieder auf einen zusätzlichen Dezernenten gedrängt.
Zumal die "Einigung" zwischen Grünen, OB und den Fraktionen von CDU und SPD, die das Vorschlagsrecht für jeweils einen Bürgermeister haben, über den neuen Dezernatszuschnitt deutlich weniger einvernehmlich gewesen sein soll, als die Beteiligten am Dienstagnachmittag bei einer Pressekonferenz erklärten. Vielmehr hätten die Grünen und der OB diktiert, welche Ämter welchem Bürgermeister zugeordnet werden sollen. Es sei nicht auf Augenhöhe diskutiert worden.
Denn ursprünglich sollte das Kulturamt im Ressort von Gerner verbleiben. Diskussionen soll es nur darüber gegeben haben, ob die Grünen das Kinder- und Jugendamt oder das Amt für Schule und Bildung für Erichsons Dezernat beanspruchen. Ein Herauslösen des Kulturamts aus Gerners Ressort sei zu diesem Zeitpunkt kein Thema gewesen.