Walldorf: Arnim Töpel brachte zur Krimistunde Kommissar Günda mit
Von Anton Ottmann
Walldorf. Große Prunksitzung der "Glickerbacher Grunzer", alles fiebert auf den Höhepunkt zu: Auftritt des Männerballetts "die Houli Haxe" mit 14 behaarten Männerbeinen, sieben Bademänteln und sieben puterroten Männerschädeln. Auf dem Höhepunkt der Darbietung reißt Rainer, einer der Akteure, plötzlich den Mund auf, greift sich an die Brust, torkelt an die Bühnenrampe und sinkt in Zeitlupe rücklings zu Boden. "Roina, du bisch de Häddscht!", schreit einer, der nicht ahnt, dass dieser tot und vielleicht einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist. Was da so harmlos angefangen hat, mausert sich zum sechsten Fall für den kurpfälzisch sprechenden Kommissar Günda, dem "Mister Nochdenkerles", und dessen nur des Hochdeutschen mächtigen Assistenten Fridjof Freese - nachzulesen im Krimi "Mord beim Männerballett?", den Arnim Töpel auf Einladung der "Vereinigung Walldorfer Heimatfreunde 1965" im Astorhaus in Walldorf vorstellte.
Wie schon bei den fünf Vorgänger-Krimis, von denen Töpel im ersten Teil des Abends einige Kostproben gab, geht es auch im neuen Fall nicht allzu blutrünstig zu und ist die Lösung des Falls überraschend harmlos. Neu ist auch, dass es am Ende eine Trauerfeier der ganz besonderen Art gibt: eine Prunksitzung zu Ehren des verstorbenen Rainer Funke. Pietätvoll verzichtet man dabei auf allzu "Lautes, Schrilles, Vordergründiges": Büttenreden werden deshalb zugunsten von mehr Tanzvorführungen eingekürzt.
Und noch eine Besonderheit: Kommissar Günda nimmt den Platz des Verstorbenen bei den "Houli Haxe" ein. Für ihn eine nervenaufreibende Sache. Der Hausmeister tröstet ihn vor dem Auftritt: "Mach der net ens Hemm, Tschief! Des glabbt schun alles."
Töpel ist ein begnadeter Kabarettist mit skurrilen Einfällen, Sinn für Situationskomik und Wortspielen. Er jongliert geradezu mit dem Kurpfälzer Dialekt und seinen lautmalerischen Elementen. Er kostet es aus, einzelne Wörter, alleine durch eine unterschiedliche Betonung, in ihrer Bedeutung zu verändern. So steht "un" nicht nur für das hochdeutsche "und", sondern auch für "Wie geht’s?", "Schon lange nicht mehr gesehen!", "Was machst du gerade?" und noch einiges mehr. Wenn Töpel liest "Do kreische die Weiwer", dann glaubt man, diese tatsächlich in ihrer Ausgelassenheit zu hören. Den Satz "Simma widda guud?", kann man nicht einfach mit "Vertragen wir uns wieder?" übersetzen, weil im Hochdeutschen das ganze Gefühl fehlt, das er in diesen Satz miteinfließen lässt.
Arnim Töpel ist ironisch, aber nicht zynisch, witzig, aber nicht ordinär, und er hat eine angenehme Art, seinen Zuhörern den Spiegel vorzuhalten. Wenn er seinem Publikum in schönstem Hochdeutsch die Mundart in ihrer ganzen Vieldeutigkeit um die Ohren schlägt, dann fällt es dem Dialektsprecher wie Schuppen von den Augen: "Genau sou schwätz isch jo aa!" Aber da ist endlich einer, der ihm sagt, dass er sich für seinen Dialekt nicht zu schämen braucht, ganz im Gegenteil. Er ist viel ursprünglicher, vielfältiger und nuancenreicher als die deutsche Hochsprache.
Töpel ist auch ein begnadeter Songschreiber und Sänger und setzt dabei auf den Blues, der sich hervorragend für Mundart-Texte eignet, denn "Blues steckt im Tonfall, bisweilen in einem einzigen Ton und nicht selten in den Pausen", wie er in einem Essay schreibt. Bestes Beispiel: sein Liebeslied "I love you, you love me, laafe mer zsamme, wu laafe mer hi." Er sagt von sich selbst, dass Hochdeutsch seine Muttersprache und Walldorferisch seine Heimatsprache ist. Umso mehr bedauert er den Rückgang des Dialektsprechens bei Kindern. So musste er erfahren, dass bei der Vorstellung seines Kinderbuchs "Isch, de Krutze" Grundschüler nichts mehr mit der Bezeichnung "Krutze" anfangen konnten und den Ursprung in Griechenland vermuteten.
Wieder einmal eroberte Töpel die Herzen der Zuhörer, aber nicht nur durch sein Programm, sondern auch durch sein Plädoyer für Mundart, Vereinsarbeit und Gemeinnützigkeit. So freute er sich zusammen mit dem Publikum darüber, dass sein Honorar für die Speisung von Obdachlosen in Walldorf verwendet wird.