Amazon-Serie: Das macht "Fallout" anders als andere Videospiel-Verfilmungen

Adaptionen von Videofilmen waren lange eher peinlich als sehenswert. Mit Serien wie "Fallout" und "The Last of Us" sind den Studios jedoch zuletzt Erfolge gelungen. Hat Hollywood nun ein neues Genre zum Ausschlachten gefunden?

Herr Hain, ist "Fallout" wirklich richtig gut oder waren andere Videospielverfilmungen bisher einfach schlecht?
Beides. Fallout ist wirklich gut. Nicht nur als Serie an sich, sondern auch als Videospielverfilmung. Aber ja: Wir Gamer haben in den letzten 30 Jahren echt eine Menge erdulden müssen. Es gab zwar hin und wieder positive Ausreißer. Aber wenn Sie einen Spielefan nach den fünf besten Verfilmungen fragen, wäre nach Platz 2 vermutlich Schluss.

Und das ist jetzt anders?
Auf jeden Fall. 

Warum?
Vor allem dank der Streaminganbieter. Netflix, Amazon, Disney und Co. haben fleißig Rechte gekauft. 

Also liegt es wie immer am Geld?
Nicht nur. Auch die Spiele selbst sind deutlich besser geworden. 

Was heißt "besser"?
Sie haben eine richtige Story. Infokasten David Hain

Trotz Serienerfolg "Fallout": "Hollywood geht es an erster Stelle nicht um eine gute Story"

So einfach ist das? 
Es ist nun mal deutlich einfacher, einen guten Film zu machen, wenn die Vorlage etwas hergibt. Das beweisen ja Serienhits wie "The Witcher", "The Last of Us" – oder eben "Fallout".

Das Drehbuch schreibt sich also von selbst?
Die Autoren haben zumindest schon mal eine Menge Material. Die "Fallout"-Spielreihe zum Beispiel besteht aus mittlerweile fünf Teilen und vier Ablegern. Die Serienmacher konnten hier nicht nur auf das spannende Setting einer postapokalyptischen Welt zurückgreifen, sondern hatten auch ein riesiges Kontingent an fertigen Geschichten und viele, teils bis ins Detail ausgearbeitete Charaktere zur Auswahl.

Okay, aber die Handlung der "Super-Mario"-Spiele, die passt doch quasi auf einen Bierdeckel. Trotzdem war die Verfilmung vergangenes Jahr ein Riesenerfolg.
Ich glaube, das darf man nicht missverstehen. Qualität ist keine Erfolgsgarantie. In Hollywood geht es an erster Stelle nicht um eine gute Story. Sondern um die Marke. 

Das klingt jetzt aber sehr unromantisch.
Naja, es heißt ja auch Filmindustrie. Der "Super-Mario-Bros"-Film letztes Jahr war ein Wendepunkt – die erste Videospielverfilmung, die die Milliarde-Dollar-Grenze geknackt hat. Auch die Spieleentwickler haben etwas davon. Alte "Mario"-Spiele sind nach dem Kinostart in die globalen Charts eingestiegen, der Umsatz von Entwickler Nintendo hat 2023 um 18 Prozent zugelegt.

Hört sich wirklich nach Traumfabrik an. Werden Games nicht aber inzwischen auch als das anerkannt, was sie sind? Nämlich Kunst?
Ja, auch schon eine ganze Weile – spätestens nach "GTA 5".  Der Industrie geht es aber um etwas viel Profaneres: Sie muss eine Lücke füllen – am besten mit einem neuen Franchise. 

Jetzt, wo Sie es sagen. Es gibt gefühlt nur noch Neuauflagen oder Fortsetzungen…
2023 war Oppenheimer der einzige alleinstehende Film, der es in die Top-Ten geschafft hat. 

Bekommen wir Zuschauer also nur, was wir verdient haben?
Zumindest nehmen wir Franchises an. Gefällt uns etwas, wollen wir mehr, mehr, mehr. Kommentar: Liebeserklärung an GTA

Bis wir genug haben?
Ja. Die Studios neigen leider dazu, den Markt komplett zu übersättigen. Erst waren es Western, dann Science Fiction, dann Fantasy. Nun sind auch Marvel-Superhelden gegen eine Wand gerannt. Jetzt sucht Hollywood krampfhaft nach dem nächsten Franchise. 

Und das sind Videospiele?
Auf jeden Fall. Die bringen auch schon eine riesige Fanbasis mit. 

Nur sind die nicht gerade einfach zufriedenzustellen. 
Fans sind häufig toxisch, das stimmt. Das Problem haben ja aber nicht nur Videospieladaptionen – denken Sie an die neuen "Star Wars"-Filme.

Lieber nicht. 
War ja nur ein Beispiel.

Filmkritiker David Hain: "Es ist ein Kampf um die Zeit der Menschen"

Aber mal ehrlich: Gamer sind schon bisschen eigen, oder? Haben "Fortnite"-Spieler nicht andere Ansprüche als "Herr der Ringe"-Fans?
Klar. Ein Gamer, der stundenlang mit seinen Freunden zockt und auch dann noch ein paar Stunden auf Twitch dranhängt, um anderen beim Zocken zuzusehen, der geht nun mal nicht mehr ins Kino. Könnte er aber. Und wie kriegt man ihn? Mit dem gleichen Kram, den er sowieso den ganzen Tag konsumiert.

Schon wieder so unromantisch.
Ist es ja auch. Es ist ein Kampf um die Zeit der Menschen. Das wissen die Filmstudios. Bob Iger hat vor zwei Monaten angekündigt, dass Disney allein 1,5 Milliarden Dollar in den Spieleentwickler Epic Games stecken will, um sich unter anderem an "Fortnite" zu beteiligen.

Klingt viel.
Ist es in Relation aber gar nicht. Der Videospielmarkt wird dieses Jahr voraussichtlich rund 260 Milliarden Dollar umsetzen – Tendenz steigend. Die Filmindustrie kommt auf gerade mal 80 Milliarden Dollar.

Gibt es denn eine Art "Fallout"-Formel? Ein Rezept, wie man Hardcore-Gamer und Neueinsteiger unter einen Hut bekommt?
Am Ende ist es immer ein Spagat. Darf man von der Vorlage abweichen? Muss man das vielleicht sogar? Das sind Dinge, die heute eine Rolle spielen, damit auf Twitter die Leute nicht ausrasten. Und dann wäre da noch das Thema Wokeness…

Da war ja was… Die Frage, wer wen spielt, das kann einer Adaption das Genick brechen.
Und wie. Wie bei der Debatte um die Realverfilmung von "Arielle", als die Anti-Woke-Clique ausgerastet ist, weil eine schwarze Schauspielerin die Meerjungfrau spielt. Eine Meerjungfrau! Eine völlig irre Diskussion – der Film war einfach Mist! 

Oder als sich "Fans" bei der "Herr der Ringe"-Serie "Die Ringe der Macht" beschwert haben, dass ein Elb schwarz ist?
Wen interessiert denn das?! Wenn dich das stört, bist du einfach ein Rassist! Interview Mick Prinz Gaming Rechtsextremismus 13.09

Jetzt haben wir aber ein Fass aufgemacht. 
Mich kotzt das einfach an. Auch unter meiner "Fallout"-Kritik waren sich Leute nicht zu schade, darüber zu meckern, dass die Protagonistin eine Frau ist. Dabei konnte man das im Spiel sogar selbst wählen!

In der Gamingszene wurde auch darüber diskutiert, ob denn weibliche Protagonistinnen absichtlich unattraktiver würden.
Ja, schlimm. Auch vor dem Start der "Fallout"-Serie geisterte ein mittels KI verändertes Poster durchs Internet, auf dem die Hauptcharakterin einen größeren Hintern hatte. Das ist schon heftig – und vor allem einfach nur noch frauenfeindlich.

Zugegeben: Früher sahen die Protagonistinnen in den Spielen und Filmadaptionen anders aus. Stichwort Lara Croft aus "Tomb Raider".
Das ist ja das Argument der Anti-Woken. Die behaupten, die Entwickler würden diese "Sünden" von früher wiedergutmachen wollen, indem sie jetzt extra "hässliche" Frauen in ihre Spiele programmieren. 

Ist da etwas dran?
Das ist Schwachsinn. Menschen werden einfach endlich normalisiert. Eine Heldin muss nicht mehr aussehen wie ein brasilianisches Supermodel, das über die Alpen kraxelt. 

In Deutschland "traut man sich nicht an Genre-Filme"

Apropos Alpen. Für die deutschen Filmemacher sind Videospielverfilmungen immer noch exotisch. Dabei haben hiesige Entwickler doch Hits wie "Crysis" oder "Gothic" herausgebracht. Warum die nicht auch verfilmen?
Weil Deutschland an sich kaum etwas versucht, was über die nächste Matthias-Schweighöfer-Komödie hinausgeht. 

Autsch.
Aber es stimmt ja. Hier traut man sich nicht an Genre-Filme. Vor allem deshalb, weil die Förderanstalten dafür keinen Cent locker machen. Und gerade Spiele-Verfilmungen kosten richtig Geld. Eine Alien-Invasion im Dschungel wie in "Crysis" ist eben teurer als ein Beziehungsdrama in Berlin-Mitte. 

Also keine Chance auf einen deutschen "Gothic"-Film?
Nein. Nicht, solange sich nicht etwas grundlegend an der deutschen Filmlandschaft ändert.