Die Sinsheimer "Vollstreckerin": Wenn Eva L. vor der Tür steht
Von Tim Kegel
Sinsheim. Nennen wir sie Eva L.. Den versammelten Stadträten sagte sie in der jüngsten Sitzung augenzwinkernd und ohne Umschweife: "Ich will Ihnen heute mal beweisen, wie gut es ist, dass die Stadt mich hat." Eva L. - circa 30 Jahre, groß und zierlich, burschikoses Auftreten, Jeanstyp, modische Undercut-Frisur - treibt einen wesentlichen Teil der Gelder ein, die andere der Stadtverwaltung schulden.
Unerschrocken erzählt sie dem Gemeinderat von Ausnahmesituationen, in die sie regelmäßig kommt, wenn sie städtische Bußgelder, wie nicht gezahlte Falschpark-Knöllchen, Hunde- und Grundsteuerbescheide, eintreibt: "Handgreiflich wurde, Gott sei Dank, noch niemand", sagt Eva L. mit Gelassenheit. Ja, es gebe "amtsbekannte Schuldner", die schwierig seien und auch mal drohten oder sie wüst beschimpften. Manchmal nimmt sie zu diesen Terminen jemanden vom polizeilichen Vollzugsdienst - sprich: einen der "Stadt-Sheriffs" - mit. Denn: Angedroht wurde Eva L. und ihrem Team schon so einiges. "Die Leute bauen dann ihren Frust ab", sagt sie. Und: "Das kann ich verstehen." Wenn man diesen Job ernst nehme, müsse man auch die Menschen und ihre Lebenslagen ernst nehmen.
Kürzlich sei die Situation fast eskaliert; ausgerechnet bei einer Schuldnerin, einer Frau. "Sie begann, um sich zu schlagen, dann ist alles aus ihr herausgebrochen", schildert Eva L.: "Existenzängste, Sorgen vor dem Verlust des Hauses." Zwischenzeitlich habe "die Gefahr eines Suizids im Raum gestanden". Bei solchen Fällen den Überblick zu behalten, hat Eva L. in Seminaren gelernt, bei denen sie als Frau "meistens ein Exot" gewesen sei. Aber Empathie lernt man nicht so ohne weiteres: "Wir sind danach lange beisammen gesessen und haben geredet." Von Frau zu Frau. Ihr Haus habe die Schuldnerin dennoch inzwischen verkaufen müssen.
Der sogenannte Vollstreckungsaußendienst der Stadtverwaltung, ein schwieriger Job: In der Abteilung, die Eva L. leitet, sitzen gleich drei Kolleginnen. Oberbürgermeister Jörg Albrecht nennt sie "Goldschätzchen".
Oft ermittelten sie in Zivil: Da Schuldner sich rar machten, tauchten sie "immer öfter auch samstags" auf. "Samstags", nennt sie eine Hausnummer, "sind fünf von sieben Schuldnern da - mitunter zahlen zwei davon den ganzen Außenstand auf einmal." Handlungsdruck zu erzeugen auf der einen Seite, eine gütliche Einigung zu erzielen, auf der anderen Seite - so beschreibt Eva L. ihren Stil, der auch Mittel wie Erzwingungshaft, Vermögensauskunft und Zwangsversteigerung rechtfertigen würde: "Wir vereinbaren lieber etwas real machbares", sagt sie, etwa Ratenzahlungen. Generell biete sie Daueraufträge mit Lastschriftverfahren an, was gern genutzt werde und meistens funktioniere. Oft sei sie aber auch "als Geldabholerin tätig", schmunzelt Eva L.
Manchmal erlebt Eva L., dass ihr Geschäft im Auftrag der Stadt Sinsheim als "viel persönlicher wahrgenommen" wird, als wenn ein Gerichtsvollzieher aktiv wird. "Es erzeugt schon ein gewisses Vertrauen", ist sie überzeugt. Manche Schuldner sagten konkret: "Ich will aber bei Frau L. bezahlen."