Ausbau der A6: Der erste Abschnitt auf der A 6 ist geschafft (plus Videos)
Von Christian Beck und Alexander Albrecht
Sinsheim/Wiesloch. Quizfrage: Was ist knapp sechs Kilometer lang, hat eine neue Oberfläche und statt zwei jetzt drei Streifen? Es ist der erste sanierte Abschnitt der A 6, der in der Nacht zu Donnerstag zwischen Wiesloch und Sinsheim freigegeben worden ist. Bei der Autobahnbrücke nahe Tairnbach schwenkt der Verkehr auf die dann drei Spuren in Richtung Mannheim. Noch vier Wochen werde es dauern, bis die Fahrzeuge auf dem gegenüberliegenden Abschnitt gen Sinsheim rollen können. Ebenfalls dreispurig, aber provisorisch noch auf dem alten Fahrbahnbelag, wie Michael Endres, der Sprecher der ViA6-West, erklärt.
Die private Betreibergesellschaft baut die A 6 zwischen Wiesloch/Rauenberg und dem Kreuz Weinsberg aus. Die Kosten für das Megaprojekt werden auf rund 1,3 Milliarden Euro beziffert. Laut Endres sollen die Arbeiten 2022 abgeschlossen sein. Aktuell liegt die ViA6-West etwas hinter dem Zeitplan. "Schuld" ist die Haselmaus. So hätten die Rodungsarbeiten zu Beginn des Ausbaus im vergangenen Jahr zwei Monate nach hinten verschoben werden müssen, da die Nager noch geschlafen hatten, erklärt der Sprecher. "Das holen wir gerade mit Doppelschichten auf", so Endres. Das aktuelle Teilstück sei sogar schneller als geplant fertig geworden.
Tatsächlich drängt die Zeit, müssen die Arbeiten doch von April bis Oktober 2019 wegen der Bundesgartenschau in Heilbronn eine Pause einlegen. Fahrzeuge können nach den Planungen in dieser Zeit zwischen Weinsberg und Wiesloch beidseitig auf drei Spuren brausen. "Dabei handelt es sich aber ebenfalls nur um provisorische Streifen", sagt Endres. Zugleich wehrt sich der Sprecher gegen Kritik, wonach der Ausbau zügiger abgeschlossen werden könnte, wenn auf den Baustellen auch nachts und an Sonntagen gearbeitet würde.
"Das ist hier nicht praktikabel", stellt Endres klar, müsste dann doch auch das Asphaltwerk rund um die Uhr arbeiten - "das machen die aber nicht". Ohne Material könnten die Arbeiter nichts ausrichten, und abgesehen davon müsse der für die 36 Brücken gebrauchte Beton knapp 30 Tage aushärten. Auch verweist Endres auf Untersuchungen, nach denen die Konzentration der Arbeiter in der Nacht sinke, die Qualität nachlasse und das Risiko für Unfälle steige. Letztere gibt es trotzdem, meist an Stauenden, und nicht selten enden sie tödlich.
Kaum ein Tag vergeht, an dem die Polizei nicht einen schweren Lkw-Unfall auf der A 5 oder der A 6 in der Region meldet. "Es ist schwierig, hier mehr zu tun", sagt Endres. "Wir warnen vor Staugefahr bereits mit blinkenden Lampen und per Funk." Einige Lkw-Fahrer hielten den Sicherheitsabstand nicht ein, andere seien unaufmerksam. Dieser Eindruck deckt sich mit den Erfahrungen der Ordnungshüter. Geschwindigkeit und Masse von großen Lastern machten einen Auffahrunfall zu einem tödlichen Risiko, weiß Dieter Schäfer, der Leiter der Verkehrspolizei im Mannheimer Polizeipräsidium: "Die Fahrer müssen das Tempo anpassen und vor allem dürfen sie durch nichts abgelenkt sein. Ein Blick von einer Sekunde aufs Smartphone bedeutet bei Tempo 80 ganze 22 Meter Blindflug."
Notbremssysteme seien erst in 60 Prozent der deutschen Lastwagen verbaut, ließen sich abschalten oder durch den Fahrer "überbedienen". Deshalb setzt Schäfer auch beim Thema Aufmerksamkeit an und hat gemeinsam mit Mannheimer Speditionen die Initiative "Hellwach mit 80" aus der Taufe gehoben.
Dabei verpflichten sich Unternehmen und Fahrer, Ablenkungen im Führerhaus zu vermeiden und die Geschwindigkeit anzupassen. Wer statt den vorgeschriebenen 80 km/h die Toleranzgrenze ausreize und mit 89 "Sachen" unterwegs sei, verlängere seinen Bremsweg bereits um zwei Fahrzeuglängen - also gut zehn Meter, die am Ende eines Staus über Tod und Leben entscheiden könnten, sagt Schäfer.
ViA6-West-Sprecher Endres glaubt indes, dass es künftig aufgrund der drei Spuren zu weniger Beeinträchtigungen auf der A 6 im Kraichgau kommen wird. Allerdings datierten die Ausbaupläne aus dem Jahr 2008, und seitdem habe das Verkehrsaufkommen noch zugenommen. An Spitzentagen liege es bei 117.000 Fahrzeugen täglich. 1964 sei die Autobahn für maximal 60.000 Fahrzeuge pro Tag gebaut worden. "Wir haben zu viel Verkehr für zu wenig Straße", betont Endres.