Handschuhsheimer "Lärmwohnung": Der Krach ist jetzt weg, doch viele Fragen bleiben offen
Von Micha Hörnle
Heidelberg. Die gute Nachricht: Silvia Knapp wurde seit Ende letzter Woche nicht mehr mit Lärm in ihrer Handschuhsheimer Wohnung belästigt. Bürgermeister Wolfgang Erichson war durch Zufall auf die enorme Geräuschentwicklung aufmerksam gemacht worden und äußerte gegenüber der RNZ den Verdacht, hier würde es sich um eine gezielte Entmietung handeln.
Der neue Hauseigentümer, der die Wohnung über Silvia Knapp sanieren lässt, hatte den Lärm mit dringenden Sanierungsarbeiten begründet. Allerdings war nie ein Bauarbeiter zu sehen, beim Vor-Ort-Termin der RNZ vor acht Tagen wurde auf Klingeln und Klopfen nicht reagiert. Der unangenehme, monotone und mit bis zu 89 Dezibel heftige Lärm dauerte fünf Tage lang, von 7 bis 17 Uhr, bis er am vorletzten Freitag abgestellt wurde.
Die schlechte Nachricht: Immer noch ist unklar, was den Lärm verursacht hat. Der Hauseigentümer hat sein Versprechen nicht eingelöst, der RNZ die Wohnung zu zeigen, von der der Lärm ausging. Auf mehrere Anfragen reagierte er nicht, sondern sandte ein dreiseitiges Schreiben, in dem er sich über den "unhaltbaren und unwahren Inhalt" des Artikels vom Samstag beschwert. Die RNZ habe sich seiner Ansicht nach einseitig auf die Seite der Mieterin geschlagen, mit der er im Streit liegt, und seinen Ruf geschädigt.
Immerhin geht der Bauentwickler auf die entscheidende Frage ein, was den Lärm, von dem sich Silvia Knapp terrorisiert fühlte, hervorgerufen hat: "Bei den ausgeführten Arbeiten (...) handelt es sich um das Abtragen von circa zehn Zentimeter Bodenniveau aus den Werkstoffen Estrichbeton und Beton. Diese Arbeiten wurden mit einer Estrichbetonfräse ausgeführt.
Diese Maschine bohrt mit hartmetallbesetzten Werkzeugen mehrere Löcher gleichzeitig in den Werkstoff, um ihn dann mit einer Kreisbewegung abzutragen. Selbstverständlich kann es bei dem Einbohren zu sehr unangenehmer Geräuschentwicklung kommen. Diese Arbeiten wurden nahezu am Freitagnachmittag zu Ende gebracht."
Allerdings sind, so versichert der Bauunternehmer Michael Dessloch aus Ziegelhausen, Arbeiter nötig, die eine solche Estrichfräse bedienen. Es sei völlig undenkbar, dass es einen monoton-konstanten Geräuschpegel über zwölf Stunden hinweg geben könne, wie ihn Silvia Knapp über Tage hinweg und in Gegenwart von Zeugen erlebt hat. Allerdings, so sagt Dessloch, könne es durchaus sein, dass Arbeiter auf Klingeln und Klopfen nicht reagierten: "So eine Fräse ist so laut, dass ein Arbeiter Ohrenschutz tragen muss und nichts hört."
Mittlerweile konnte mit großer Sicherheit die Person identifiziert werden, die am Freitagnachmittag gegen 15 Uhr die Apparatur in der Wohnung über Knapp ausschaltete: Es handelte sich keineswegs um einen Bauarbeiter, sondern um einen Hausmeister in Diensten des Hausbesitzers. Er war ins Haus gegangen und kam nach noch nicht einmal zwei Minuten heraus und der Lärm war mit einem Schlag weg.
Bürgermeister Wolfgang Erichson, der die ganze Sache ins Rollen brachte, will keine Ruhe geben. Allerdings sind ihm die Hände gebunden. Als er das Baurechtsamt kontaktierte, erfuhr er, dass sich die Stadt in privatrechtliche Auseinandersetzungen kaum einmischen kann. Allerdings bleibt er weiter bei seinem Vorwurf, der Hausbesitzer wolle eine 82-jährige Mieterin, die schon über 40 Jahre lang dort wohnt, mit Lärm zum Auszug bewegen.
Auch die Kommunalpolitik reagiert: So fordert die CDU eine "lückenlose Aufklärung" des Falls. Der Vermieter müsse deutlich machen, wie es zu dieser Lärmbelästigung gekommen und warum sie notwendig war. "Für uns ist das Recht am Eigentum wichtiger Bestandteil unseres Zusammenlebens. Ebenso verpflichtet Eigentum aber zum verantwortungsvollen Umgang damit. In diesem Fall sind daher totale Transparenz und völlige Aufklärung notwendig", sagt Kreisvorsitzender und Stadtrat Alexander Föhr.
Sollte sich herausstellen, dass der Lärm tatsächlich nur dazu diente, Silvia Knapp zu terrorisieren, müsse das Konsequenzen haben. Schließlich würden dadurch die vielen korrekt und verantwortungsvoll handelnden Vermieter in Heidelberg in ein schlechtes Licht gerückt.
Unterdessen erfuhr die RNZ, dass sich der Bauentwickler bereits in der Vergangenheit Methoden bedient haben soll, die Parallelen zum jüngsten Fall erkennen lassen: So soll er vor etlichen Jahren versucht haben, eine Tierärztin aus ihrer Praxis loszuwerden. Diese Praxis befand sich in einer Handschuhsheimer Scheune, die der Mann gekauft hatte.
Die Betroffene berichtet auf RNZ-Nachfrage von einer schweren Säge, die vom Speicher aus die Praxis beschallte: "Das ganze Haus vibrierte." Allerdings gelangte sie mit einer Leiter zum Boden und schaltete die Säge aus: "Das war auch so ein Versuch, reine Schikane. Kein normaler Mensch lässt unbeaufsichtigt ein elektrisches Gerät laufen." Nach einem langen Gerichtsverfahren einigten sich die Kontrahenten doch: Sie erhielt eine Abfindung und zog in eine Praxis in der Nähe.