Karlsruher Flaggenstreit: Wenn Stuttgart den Badnern die eigene Flagge verbietet
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Von Susanne Kupke
Karlsruhe. 170 Jahre nach der Revolution von 1848 probt Baden erneut den Aufstand - diesmal allerdings im Netz. Die badische Fahne soll wieder auf dem Karlsruher Schlossturm wehen, findet Torsten Furrer. Der 34-jährige Bankkaufmann hat eine Online-Petition gestartet. Und ist selbst von der Resonanz überwältigt: "Ich fühle mich ein wenig wie der badische Che Guevara." Tausende Unterzeichner hat er bereits. Abgeordnete und Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) protestieren gegen ein Flaggen-Verbot aus Stuttgart. Viele sehen sich eines Stücks Heimat beraubt.
Dabei fing alles ganz harmlos an. Das Badische Landesmuseum wollte für seine Revolutions-Ausstellung im Schloss ein wenig Aufmerksamkeit und hisste im Frühjahr die rote Fahne. Ein Bürger aus Karlsruhe störte sich am revolutionären Symbol. Und Stuttgart schritt ein.
Freundlich, aber bestimmt soll das Staatsministerium das Museum belehrt haben, was nach Landesverordnung möglich ist. Und was nicht. Die Landes-, Europa- und Bundesflagge ja - rote Fahne und gelb-rot-gelbe Baden-Flagge nicht. Museumschef Eckart Köhne zeigte sich einsichtig und hisste die Landesfarben Schwarz-Gelb. Letztlich seien doch alle Baden-Württemberger - und das Museum eine Institution des Landes.
Blöd nur, dass seit dem Stadtgeburtstag vor drei Jahren die Baden-Farben unbehelligt im Wind flatterten - bis zum Wirbel um die rote Fahne. Daran hatten sich die Karlsruher gewöhnt. "Zurück mit der Fahne", fordert so ein Unterzeichner der Online-Petition. "Wir Badener lassen uns das nicht gefallen. Wenn es um unsere geliebte Flagge geht, da hört der Spass uff", findet Initiator Furrer.
Mentrup meint, Verordnung hin oder her: "Seit Jahren hing die badische Fahne über dem Karlsruher Schloss, und das ist nicht nur Gewohnheit, sondern selbstverständlicher Ausdruck unserer heimatlichen Identität." Die Einmischung aus Stuttgart sei ein "kleinlicher Akt mangelnder Souveränität".
Eine Neuauflage der Baden-Frage nur wegen eines Fähnchens auf dem Turm? Robert Mürb, prominentester Verfechter der badischen Sache, glaubt das eher nicht. Der Vorsitzende der 30.000 Unterstützer zählenden Landesvereinigung Baden in Europa stellt Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ein gutes Zeugnis aus. Jahrzehntelange finanzielle Benachteiligungen des badischen Landesteils im Hochschul-, Kultur- oder Krankenhausbereich seien inzwischen beseitigt. Das Fahnen-Verbot zeugt für ihn aber von mangelnder Sensibilität. "Das verletzt das Herz des Badeners", so Mürb.
Baden-Württemberg ist inzwischen so selbstverständlich, dass das Land das Verbot nicht nötig hätte, findet Mentrup. Doch im Staatsministerium will man den Anfängen wehren und keine Ausnahmen zulassen. "Es gibt kein Baden und kein Württemberg - es gibt nur Baden-Württemberg." Weshalb also der Aufstand?
Weil es um badische Identität, Freiheit und Geschichte geht, meint der CDU-Bundestagsabgeordnete Axel E. Fischer, dem es "fast die Socken ausgezogen" hat, als er vom Verbot hörte.
Es gibt aber Hoffnung: Zufällig läuft am 22. August 2018 die Flaggenverordnung aus. Auf den Tag genau vor 200 Jahren unterzeichnete Großherzog Carl die Badische Verfassung. Sie gehörte zu den ersten Verfassungen Deutschlands und war die modernste. Eine neue liberale Flaggenverordnung wäre da doch ein passendes Geschenk, findet Mürb.