"Gebärden Verstehen" Heidelberg: Die Gebärdensprache ist alles andere als international (plus Video)
Von Maria Stumpf
Heidelberg. Man hört sie nicht, man sieht sie nur: Gebärdensprache ist eine visuelle Sprache, Wörter werden mit Händen gebildet. Jana Schwager und ihre 20 Kollegen beherrschen sie mühelos. Die Gebärdensprachenlehrerin hat vor 15 Jahren in Heidelberg die Bildungseinrichtung "Gebärden Verstehen" gegründet. "Es ist eine wunderbare Sprache", sagt die 51-Jährige. Besser: zeigt sie. Denn sie ist taub und kann keine Lautsprache.
Ihr Kollege Jürgen Tschickart hilft als Sprachmittler, er dolmetscht. Denn auch, wenn Mimik, Gestik und Mundbild mit leisen Lauten beim Verständigen helfen - im Schnitt dauert das Erlernen der Gebärdensprache samt Fingeralphabet - wenn Gebärde oder Name nicht bekannt sind - in einem Schnellkurs etwa ein halbes Jahr. "Dann könnten wir uns jedenfalls in meiner Sprache unterhalten. Das ist eben wie Fremdsprachenlernen", verdeutlicht Schwager. Sechs Kollegen im Team sind wie sie gehörlos.
Frühförderung mit Gebärdensprache, Arbeitsmarkt-Integration oder Schnupperkurse für Privatinteressierte: Das Angebot ist vielfältig. Zurzeit betreut die Einrichtung rund 100 Teilnehmer in unterschiedlichen Kurssystemen in den Wieblinger Schulräumen. Die Lehrkräfte unterstützen Familien mit gehörlosen Kindern in Gebärdensprachkursen zu Hause, begleiten Kinder im inklusiven Schulunterricht und unterstützen Universitäten in der Ausbildung der Pädagogen. Im März wird zum zweiten Mal ein besonderes Angebot starten: Es ist ein Integrationskurs im Auftrag des Bundesamts für Migranten und Flüchtlinge (BAMF) speziell für taube und schwerhörige Migranten und geflüchtete Menschen. "Er ist auch für Menschen geeignet, die schon länger in Deutschland leben und bisher noch keine ausreichenden Deutschkenntnisse erwerben konnten", betont Schwager. "Dafür mussten wir uns in unserem Team natürlich auch vorbereiten."
Denn wer nun denkt, die Gebärdensprache sei international, der irrt. Es gibt nicht nur die deutsche Gebärdensprache (DGS), sondern auch noch viele andere wie die französische, chinesische, russische, englische oder arabische. "Einzelne Gesten ähneln einander. Der Gehörlose aus Frankreich kann sich mit dem Gehörlosen aus Deutschland sicher einigermaßen verständigen." Aber im arabischen Raum zum Beispiel gebärde man anders, habe andere Symbole. Ist der Körper leicht nach vorne geneigt oder nicht? Sind die Augenbrauen andauernd hochgezogen? Gehörlose, so wird erklärt, haben eine feine Wahrnehmung für Stimmungen. Da sie nicht hören können, in welchem Tonfall jemand etwas sagt, achten sie auch mehr auf Blicke und Körpersprache. "Da kann es leicht zu Missverständnissen kommen."
Auch Gehörlose müssen also "Fremdsprachen" lernen, wenn sie zum Beispiel das russische oder arabische oder eben deutsche Fingeralphabet verstehen möchten. "Gehörlose Flüchtlinge müssen zwei Sprachen neu lernen: die deutsche Schriftsprache und die deutsche Gebärdensprache", betont die Schulleiterin. Sie erwartet rund 15 Teilnehmer für den Kurs. "Das wird spannend", sagt sie, denn es werde auch die Lebensart in Deutschland vermittelt. "Wir machen durch den Abbau von Sprach- und Kulturbarrieren Integrationsarbeit", meint Jana Schwager. Es klingt stolz. Oder: Es sieht stolz aus.
Info: Gebärden Verstehen, Maaßstraße 26, Telefon 06221 / 7287478, Internet: www.gebaerdenverstehen.de; nächster kostenloser Schnupperkurs: 21. April.