Parteiausschluss-Verfahren: In der Höcke-AfD eskaliert ein bizarrer Machtkampf
Was ist denn da los? Im thüringischen Landkreis Saalfeld-Rudolstadt tritt die AfD mit zwei gegeneinander konkurrierenden Listen an. Nun will die Landesspitze um Björn Höcke die Renegaten aus der Partei werfen.
Es lief schon mal besser für die AfD. Ihr Europawahlkampf wird durch Affären um Spitzenkandidat Maximilian Krah und den auf Platz 2 gesetzten Petr Bystron belastet. Auch wegen der neuen Konkurrenz durch die Sahra-Wagenknecht-Partei sinken die Umfragewerte seit Monaten. Parallel dazu wird Björn Höcke wegen des Verdachts, eine SA-Parole verbreitet zu haben, der Prozess gemacht.
Und jetzt eskaliert in der von Höcke geführten Thüringer AfD ein bizarrer Machtkampf. Nach Informationen des stern beantragte der Landesvorstand den Ausschluss von neun Parteimitgliedern des Kreisverbandes Saalfeld-Rudolstadt. Sie hätten "in besonders schwerwiegender Weise erheblich gegen die Ordnung der Partei verstoßen und ihr dadurch einen schweren Schaden zugefügt", heißt es in einem Schreiben an das Landesschiedsgericht. Es handele sich um eine "Verschwörung" gegen basisdemokratische Beschlüsse. Das 16-seitige Papier liegt dem stern vor.
Höckes Landesvize Torben Braga bestätigte die Entscheidung. "Die Betroffenen haben Beschlüsse der Parteigremien vorsätzlich missachtet beziehungsweise hintertrieben", sagte er auf Anfrage des stern. "Dieses Verhalten verstößt eklatant gegen die Satzung und Ordnung der Partei." Der Antrag auf Parteiausschluss sei daher eine "logische und notwendige Konsequenz".
Unter den Höcke-Gegnern befindet sich der Landtagsabgeordnete Karlheinz Frosch. Der Alterspräsident des Thüringer Parlaments erklärte, dass er einem Ausschlussverfahren gelassen entgegensehe. "Wir vertreten die echte AfD, und in der werde ich bleiben", sagte er dem stern. "Ich lasse mich nicht vertreiben."
Der Hintergrund: Frosch war im Oktober 2023 vom Kreisverband Saalfeld-Rudolstadt gegen den offenkundigen Willen der Landesparteispitze zum Spitzenkandidaten der AfD für den Kreistag und den Stadtrat Rudolstadt gewählt worden. Auch auf den restlichen Listenplätzen setzten sich ihm nahestehende Kandidaten durch.
Das gegnerische Höcke-Lager ging größtenteils leer aus – und versuchte daraufhin, eine Neuwahl der Liste zu organisieren. Nachdem Frosch dagegen gerichtlich mit Erfolg vorging, gründeten die Unterlegenen im April eine neue Gruppierung mit der Bezeichnung "Alternative für den Landkreis Saalfeld-Rudolstadt" und wählten eigene Kandidaten. Beide Listen wurden zur Kommunalwahl zugelassen.
Wahlen Ende im Mai, Juni und September
Damit macht sich die AfD de facto selbst Konkurrenz, und dies mit ausdrücklicher Billigung des Landesvorstands. Denn die alternative Liste zur AfD wird öffentlich von Höcke unterstützt: Auf Plakaten, die im Landkreis aushängen, wirbt er für ihre Wahl.
Gleichzeitig beantragte der Landesvorstand den Parteiausschluss gegen Frosch und acht weitere Mitglieder. Durch ihr Verhalten und die damit zusammenhängende Berichterstattung hätten sie die AfD "in ihrer Außenwirkung erheblich geschädigt", heißt es im Antrag – und dies "zu einem Zeitpunkt, in dem sie sich unmittelbar vor entscheidenden Wahlen befindet".
Am 26. Mai werden in Thüringen neben den Kreistagen sowie den Stadt- und Gemeinderäten die meisten Landräte, Oberbürgermeister und hauptamtlichen Bürgermeister neu gewählt. Mögliche Stichwahlen finden gemeinsam mit der Europawahl am 9. Juni statt. Am 1. September wird der Landtag gewählt.
Spitzenkandidat für das Landesparlament ist erneut Höcke. Allerdings besitzt er im heimatlichen Eichsfeld, wo die CDU traditionell stark ist, kaum Chancen auf ein Direktmandat. Deshalb hatte er über Monate nach einer Region mit besseren Erfolgsaussichten gesucht, wobei intern immer wieder Froschs Wahlkreis genannt wurde. Inzwischen hat sich Höcke im Landkreis Greiz nominieren lassen.
Aus Sicht Froschs trägt allein der AfD-Landeschef, der auch die Fraktion im Landtag anführt, die alleinige Verantwortung für den parteiinternen Streit. "Höcke ist ein selbstverliebter Mensch mit narzisstischen Zügen, der keine Kritik vertragen kann", sagte der Landtagsabgeordnete. "Dabei ist er es doch, der mit unüberlegten Parolen der Partei immer wieder schadet." Ohne die Polarisierung durch den Landesvorsitzenden wäre die AfD "wählbarer und anschlussfähiger an andere Parteien".